Sonntag, 17. Februar 2013

"Schwachheit ist ein Moment der Selbstbetrachtung"

(Eric Fischl)


Vorgestern besuchte ich den nackten Mann.
Er war mir ausgeliefert. 
Und ich ihm. 





Skulpturen, Fotografien, Gemälde, Installationen. Allesamt nackt. Allesamt männlich. Allesamt unter Beobachtung größtenteils weiblicher Augen. Jedenfalls während ich die Ausstellung besuchte. 

Einige Fotografien, wie z. B. die von Spencer Tunick und Annie Leibowitz, haben mich besonders fasziniert. Ein alter Mann, mitten auf einem Gehweg, im Hintergrund die befahrene Straße - ein alter Mann, gefangen in einem großen Fischernetz. Das Foto, welches den nackten und bemalten Keith Haring porträtiert - in einem bemalten Zimmer, mit dem er fast verschmilzt. 

Das Kunstwerk von Ron Mueck zog mich immer wieder zu sich. Ein winzig kleiner, lebendig wirkender schlafender Mann, eingehüllt in Decken, den ich gerne berührt hätte, den ich aber nicht berühren durfte, wie mir ein warnendes Schild verbot. Diesen Mann betrachtete ich am häufigsten. Und ich wäre gern noch länger bei ihm gestanden, wenn nicht noch weitere Männer auf mich gewartet hätten.




Ein wenig länger hätte ich ebenfalls gerne verweilt bei einer Videoinstallation eines Striptease-Tänzers, der "weder schön war noch tanzen konnte". Sagt wer? Elisabeth Nowak-Thaller sagt das. Sie führte nämlich gerade eine Gruppe von ca. 20 Frauen und einem einzigen Mann durch die Ausstellung und war fast ständig in Reichweite meines Gehörs. Doch ein paar nützliche von ihr ausgesprochene Informationen zum "nackten Mann in der Kunstgeschichte" konnte ich dann doch noch im Laufe des Rundgangs aufschnappen.  


Leider läuft diese Ausstellung nur noch genau 30 Minuten im Lentos Kunstmuseum Linz. Wer diese Ausstellung trotzdem noch sehen möchte, hat diese Möglichkeit ab 21. März 2013 im Ludwig Museum in Budapest. Ich bin im März zufällig sogar in Budapest. Und vielleicht werde ich sogar den kleinen Mann, eingehüllt in Decken, wieder besuchen.